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15.03.2024




 

Foto: hejo@blancio.de

Herzlich willkommen in Blankenheimerdorf

Skandal bei der Prozession

- eine merkwürdige Begebenheit in der landesherrlichen Zeit

von Peter Baales Lehrer i.R.

 Das Verhältnis der Eifeler Menschen zu ihrer kirchlichen Obrigkeit hat sich nicht immer friedlich gestaltet. Wir hier in Blankenheimerdorf haben im vergangenen Jahr erlebt, daß zwischen „Hirt und Herde“ sich Konflikte entwickeln können, die durchaus nicht mit dem Gebot des „Liebet einander“ zu vereinbaren sind. Das war schon immer so, nur in unserer Zeit zieht das wegen der allgemeinen Medien-Öffentlichkeit viel größere Kreise, als das früher denkbar gewesen wäre. So ist wohl das Ereignis, auf das ich bei der Durchsicht meiner heimatkundlichen Unterlagen gestoßen bin, kaum über die Grenzen unserer engeren Heimat hinaus bekannt geworden. Es spielte sich im Mai 1744 ab. Unser Dorf ist dabei zwar nur am Rande berührt, aber interessant ist es allemal.

Die Kirche von Mülheim wurde im Jahre 1737 von den Baumeistern Johannes und Michael Cazzuola fertig gestellt.  Gemälde von Albert Larres (1900-1987)Matthias Christophs, Pastor zu Mülheim, schickte damals eine geharnischte Beschwerde an seinen Landesherren, den Herzog von Arenberg. Er schrieb darin: Die Müllenheimer Pfarr sei, wie jedes Jahr, jährlichs zu Pfingstmontag nacher MünsterEiffelen und Dienstag danacher auff BlanckenheimDorff processionsweise hinzogen. Nun aber hatte der Graf von Blankenheim gerade in diesem Jahr auf genau diesen Tag in seiner Residenzstadt das erstemahl den Marckt versetzet. Diese Gelegenheit ließen sich die Wallfahrer „aus dem Ausland“ natürlich nicht entgehen: Auf dem Rückweg schickten sie Creutz und Fahnen nacher Haus voraus und besuchten dann ausgiebig den Markt im Flecken (auf dem heute „An der Pomp“ genannten Platz gegenüber Uhren/Optik Fink). Damit war natürlich anschließend eine geordnete Rückkehr der Prozession nicht mehr möglich, und trotz mehrmaliger Aufforderung des Pfarrers, daß gesamte Pfarrkinder processionsweis zurückziehen sollten, ist solches keineswegs von den Reetzern befolget worden und die Widersetzlichkeit theils zum offenbahren Unglimpf der Procession, theils zum Despect meiner (=des Pfarrers) Person ausgefallen. Auch für die kommenden Prozessionen wittert der Seelsorger beständigen Ärger, und so bittet er inständig umb künffigen Verhaltungsbefehl auff gesagten Ohngehorsam durch vorgebenden Gebrauch wegen jetzo angeordneten Marckt.

Um 1730 zeichnete der französische Landschaftsmaler Renier Roidkin diese Ansicht vom "Ahrenberg".Die herzogliche Kanzlei, an ihrer Spitze der Statthalter Kisselstein, hat sich am 26. Mai 1744 mit dieser Angelegenheit befaßt. Offenbar hatten die frommen Pilger sich durch das erstmals stattfindende Marktgeschehen doch sehr vom frommen Weg und Ziel ihrer Wallfahrt abhalten lassen. Das geht aus der behördlichen Anordnung hervorgeht, die erkennen läßt, daß die geschehene Unglimpf der Procession noch größer war, als die Beschwerde des Pfarrers zuerst vermuten läßt: Nachdem Herr Pastor von Mülheim die Procession nacher BlanckenheimDorff hinführen wollen, die Gemeinde zu Mülheim und Reetz aber das Creutz darbey mitzunehmen sich verweigert, sondern anstatt dessen einen Maybaum in der Procession vorgetragen, (den sie wohl beim Durchzug durch „Blangem“ entlang der unter Graf Salentin Ernst 60 Jahre vorher neu angelegten heutigen „Ahrstraße“ „mitgehen ließen“!) weilen aber die Gemeinde gegen die Ehre Gottes und der Christkatholischen Religion das Creutz auffsetzlich (= entgegen der Anordnung) abgelassen, also wird sie wegen solche Ungebühr in eine Straff von 10 Pfundt Wax condemniert (= verurteilt) mit dem Anhang, dasselbige inner acht Tage abführen oder darzu mit scharfer Execution angehalten werden sollen, welches Herr Pastor vom Cantzell zu publizieren vermag. Es wird also nicht erst das jährlich stattfindende „Herrengeding“, der allgemeine Gerichtstag, abgewartet - solch eine Tat erfordert eine sofortige Sühne! Und es war eine empfindliche Strafe, die da von der weltlichen Obrigkeit verhängt wurde. Die beiden Dörfer in ihrer Gesamtheit und nicht nur die beteiligten Wallfahrer hatten dafür aufzukommen. Die Beschaffung dieser nicht unerheblichen Menge an Bienenwachs doch sehr kurzer Zeit war gewiß nicht so einfach und erforderte eine erhebliche Anstrengung. Aber es war durchaus möglich, sonst wäre dieses Strafmaß wohl nicht angeordnet worden. Wir Heutigen könnten das nicht mehr zuwege bringen! Bei der Prozession statt des Kreuzes einen Maibaum voranzutragen, das war ja wirklich „die Höhe“, das erforderte ein energisches Eingreifen der Obrigkeit!

Damit aber in Zukunft solche Ohngesetzlichkeit nicht mehr möglich werden konnte, reagierte dann auch die kirchliche Obrigkeit, der Landdechant zu Lissendorf, am 7. Juni: Wegen einvermeldter Bewandnüsse, da zu Verschmälerung der Ehren Gottes, und Veranlassung vieller Ausgelassenheiten, Sünden und Seelengefahr solche Processiones auslaufen (= bei solchen Prozessionen oft vorkommen), wird Herrn Pastoren aufgeben, auf dem hl. Pfingstdienstag künfftighin keine Procession zu halten, sondern in der Pfarr drey Diensten Gottes feyerlichst abzuwarten (und zu) gestalten, (um) den Zorn Gottes nicht anzureitzen. Das war nun eine Entscheidung, die den Mülheimern und Reetzern auf keinen Fall schmecken konnte: Ihnen war damit der gewiß nicht unwillkommene Anlaß zum Besuch des Marktes in Blankenheim und seiner viellen Ausgelassenheiten genommen. Zudem war eine solche Wallfahrt eine der wenigen Möglichkeiten, einmal der Enge der eigenen Heimat und dem harten Alltagsleben zu entfliehen, und wenn es nur bis ins „Dorff“ war. Stattdessen mußten sie nun an einem einzigen Tag dreimal zu einem „feierlichen Hochamt“ in der Kirche in Mülheim erscheinen! Drei Hl. Messen als verstärkte Form der Bestrafung! Es waren schon „dolle Zeiten“, damals!! (Reetz ist erst im Jahre 1872 selbständige Pfarrei geworden.)

"Status- und Lägerbuch Dorffs Blanckenheim"Was war denn nun das Ziel dieser „Processiones nacher Dorffs Blanckenheim“? Anzunehmen ist, daß es nicht die Kirche in unserm Dorf war, sondern das schon öfter genannte „Creutz in der Ollbrück“, zu dem am Sonntag nach Fronleichnam auch unsere Gemeinde eine Wallfahrt durchzuführen hatte, wie es im „Status- und Lägerbuch Dorffs Blanckenheim“ bei der Aufzählung aller „Prozessionenes aufgeschrieben ist. Der Wallfahrts -Termin der Mülheimer und Reetzer, nämlich der Dienstag nach Pfingsten, scheint das nahe zu legen. Um diese Zeit war offenbar Wallfahrt - Saison in Olbrück! Über das eigentliche Ziel dieser Wallfahrten aber, das Kreutz in Olbrück, konnte ich noch nichts in Erfahrung bringen. Offenbar ist davon heute nichts mehr bekannt.

(B. Michels hat die dieser Darstellung zugrundeliegenden Aktenstücke aus dem Pfarrarchiv Mülheim in „Um Burg und Quelle“ Nr. 91 veröffentlicht.)

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