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15.03.2024




 

Foto: hejo@blancio.de

Herzlich willkommen in Blankenheimerdorf

Die Leute von der Altenburg

Inhaltsverzeichnis: Die neuen PächterDer Chef und seine Leute  -  Eine eigene Schule  -  Der Vater konnte alles  -  Das Forsthaus  -  Das Geschäft in Brühl

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Ungefähr 300 Meter westlich vom „Altenburger Kopf“ liegt zwischen Blankenheimerdorf und Schmidtheim das Gut Altenburg, ehemals „Altenburger Hof,“ der den Grafen von Blankenheim gehörte und während der Franzosenzeit Anfang des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Schmidtheimer Grafen Beissel von Gymnich überging. Nahe beim Hof stand im Mittelalter die Altenburg, über die unterdessen wenig bekannt ist. Wenn im Folgenden „die Altenburg“ erwähnt wird, so bezieht sich das ausschließlich auf den heutigen Gutshof, der im Volksmund seit Menschengedenken nur de Ahleburch heißt.

Gut Altenburg 2007 (Foto: Hejo Mies)Die Altenburg wird seit 200 Jahren von Pächtern bewirtschaftet. Einer von ihnen war Andreas Rohen, der mit seiner Familie im Jahr 1906 auf den Gutshof kam. Vorpächter waren Heribert Kley und seine Frau Maria Theresia. Andreas Rohen starb bereits 1928 im Alter von nur 54 Jahren, Ehefrau Maria führte das Gut weiter. Ab 1936 war ihr Sohn Alexander neuer Pächter.

Nach dessen Unfalltod im April 1945, führte seine Ehefrau Maria die Altenburg bis 1958. Ihre Nachfolger war Andreas Scheiff und später dessen Sohn Reinhard. Die Familie Rohen ist den Senioren von Blankenheimerdorf noch in guter Erinnerung. Frau Anna Hoppermanns - Rohen, das Vierte der sieben Rohen-Kinder, hat in ihren „Lebenserinnerungen“ eindrucksvoll die Altenburg und ihre Bewohner während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschildert. Ihre Aufzeichnungen, die sie im hohen Alter von 91 Jahren ihrer Tochter Maria in Hürtgenwald diktiert hat, bilden die Grundlage für den folgenden Beitrag.

Die neuen Pächter 

Am 01. Februar 1906 übersiedelten Andreas Rohen und Ehefrau Maria mit den Kindern Alexander und Agatha von Nijswiller (Holland, nahe der Grenze bei Aachen) als neue Pächter des Gutes Altenburg in die Eifel. Gleich der erste Tag brachte Ungemach. Der Hausrat und der gesamte Viehbestand wurden per Eisenbahn bis Blankenheim (Wald) transportiert, wo die Waggons über Nacht bis zum Ausladen am nächsten Morgen an der Laderampe abgestellt wurden. Es war härtester Eifelwinter. In der Nacht öffnete sich auf unerklärliche Weise eine Waggontür, morgens waren alle „Insassen“ verschwunden. Mit Unterstützung der Nachbarn aus Blankenheimerdorf und Schmidtheim konnten dann aber im Verlauf des Tages alle Tiere wieder eingefangen und unversehrt zur Altenburg gebracht werden.

Andreas Rohen * 18.02.1874 in Kettenis  (Neubelgien) +24.12.1928 in Gut Altenburg (Archiv Hejo Mies)Maria Rohen - Emonts * 29.06.1871 in Hergenrath (Neubelgien) +20.10.1954 in Gemünd (Archiv Hejo Mies)Frau Hoppermanns - Rohen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren, sie kannte aber die Ereignisse aus den Erzählungen ihrer Angehörigen. Ihr Elternhaus beschrieb sie folgendermaßen: „Gut Altenburg ist eine vierflügelige Gutsanlage um einen weiten Innenhof. Geschaffen für eine naturverbundene Großfamilie, die 500 Morgen Weidewirtschaft zu verwalten weiß.“ Die Rohens betrieben ausschließlich Viehwirtschaft. Einen Knecht und eine Magd hatten sie aus Nijswiller mitgebracht: Hubert Peters und Frau Mengeler, die lange Jahre den Haushalt führte. Neu eingestellt wurden die Mägde Gertrud Kastenholz, Dröggche genannt, und Franziska Wirtz. Sie war die Tochter eines Wanderschusters aus Wershoven, der auf seinem Arbeitsweg auch auf die Altenburg kam, wo man gerade eine gute Hausmagd  suchte. Franziska heiratete später den Stellmacher Johann Schlemmer aus Blankenheimerdorf, sie ist den Dorfsenioren noch als Hanze Fränz in Erinnerung. Frau Schlemmer versah während des Krieges Küsterdienst in unserer Pfarrkirche unter Dechant Hermann Lux. Bei uns Messdienern war sie gleichermaßen geliebt und gefürchtet. Generell war mit ihr gut auszukommen, wenn man sie aber ärgerte, konnte sie krabitzich werden und dann ging man ihr tunlichst aus dem Weg.

Die neuen Gutspächter sorgten für Leben auf der Altenburg. Alexander und Agatha wurden noch in Holland geboren, in Deutschland kamen Barbara (Bäbi), Anna, Helene, Maria und Eugenie zur Welt. Nesthäkchen Ursula-Eugenie wurde liebevoll Jeni genannt. Ein weiteres Kind starb kurz nach der Geburt. An Alexander kann ich mich noch erinnern, er war von 1936 bis 1945 Pächter auf der Altenburg. Seine Frau Maria war eine geborene Manstein aus Nonnenbach, ortsüblich Krengs Marie genannt. Die Tochter der Beiden hieß Christel, sie ist mir aus meiner Gymnasiumszeit in Steinfeld bekannt: Anfangs der 1950er Jahre waren wir beide Fahrschüler, Christel besuchte das Gymnasium in Euskirchen.

Maria Rohen - Manstein mit Töchterchen Christel (Archiv Hejo Mies)Alex Rohen, Gutspächter 1936 - 1945 (Archiv Hejo Mies)Rohens Alex war in den umliegenden Ortschaften ein Begriff, er war wegen seiner ständigen Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit allenthalben beliebt und geachtet. Er kam auch oft nach Nonnenbach. Den elterlichen Betrieb seiner Ehefrau Maria führte damals deren Bruder Karl. Am 20. April 1945 verunglückte Rohens Alex tödlich bei der Beseitigung einer Splitterbombe im Bereich Giers Garten nahe bei der Altenburg. Sein Tod war ein Schock für alle, die ihn kannten. Alex wurde nur 40 Jahre alt. Maria Rohen - Manstein führte den Gutshof weiter bis 1958. Sie war wieder verheiratet mit Johann Josef Nordendorf, dem Inspektor des „Erlenhofes“ in Euskirchen. Neuer Pächter war ab 1958 Andreas Scheiff.

Der Chef und seine Leute

Zwischen dem Gutspächter und seinen Angestellten bestand offensichtlich ein angenehmes Klima, Frau Hoppermanns beschreibt es so: „Vaters Verhältnis zu seinen Angestellten war von sehr großer Herzlichkeit. In zwei Dingen war er jedoch unerbittlich. So wurde jedem, der auf Altenburg Arbeit suchte, bei der Anstellung gesagt: Wer flucht oder lügt, der muss gehen. Alle anderen Fehler waren verzeihlich. Immerhin waren dort acht bis zehn Knechte und Mägde angestellt, es musste ja alles von Hand gemacht werden.“ Vater Andreas achtete streng auf Zucht und Ordnung.

Der sonntägliche Kirchenbesuch in Blankenheimerdorf war für alle Bewohner von Altenburg eine Selbstverständlichkeit. Der kürzeste Weg führte durch die Wiesen zwischen den beiden Wäldchen am Altenburger Kopf hindurch in Richtung Olbrück. Hier entstand mit der Zeit ein Fußweg, den die Schulkinder und Kirchgänger benutzten und der die Bezeichnung „Messepfad“ erhielt. Heute erinnert nur noch ein Wegweiser des Dörfer Geschichts- und Kulturvereins an den früheren Fußweg. Der Kirchgang erfolgte in zwei Gruppen, im wöchentlichen Turnus wechselnd zwischen Frühmesse und Hochamt. Damit war gewährleistet, dass die Altenburg nie ohne Aufsicht gelassen wurde. Damit ihnen der Besuch der Frühmesse auch im Winter möglich war, marschierten die Mutter und zwei der Mädchen schon am Samstagabend nach Blankenheimerdorf und übernachteten im Gasthaus Cremer oder bei Hanze Fränz. Der Vater kehrte mit seinen Leuten nach dem Hochamt gerne bei Krämesch ein. Dort gab es eine Spielorgel, wie Frau Hoppermanns sich erinnert, die Kinder bekamen vom Vater ein paar Münzen fürs „Musik machen.“

Für die Altenburg-Kinder war es ein recht beschwerlicher Schulweg nach Blankenheimerdorf, Alex und Agatha mussten ihn volle acht Jahre in Kauf nehmen, ihre Geschwister konnten ab August 1919 die Privatschule in Blankenheim-Wald besuchen. Die Kinder liefen den langen Weg durch Wald und Wiesen allein, auch im Winter. Häufig musste dabei Alex, der Älteste, seine drei Jahre jüngere Schwester Barbara huckepack nehmen und tragen: „Bäbi“ war oft ein wenig kränklich und schwach. Bei allzu hohem Schnee, wenn der Fußweg nicht mehr zu erkennen war, ging einer der Knechte mit. Manchmal marschierten die Kinder auch verbotenerweise über die Bahngleise, weil das für sie der eigentlich kürzeste Weg war. Wenn ein Zug kam, flüchteten sie in die Böschung und wurden nicht selten von dem schimpfenden Lokführer mit heißem Kesselwasser „gesegnet.“ Ein solcher Schulweg wäre heute absolut unmöglich.

Nesthäkchen "Jeni" im modernen Reisewagen (Archiv Hejo Mies)Frau Hoppermanns erinnert sich in ihren Aufzeichnungen an die Erstkommunion ihrer Schwester Barbara an Ostern 1917. Die Familie fuhr mit der Kutsche zur Kirche: „Mama, Bäbi, Tant Liss und ich saßen drinnen und Agatha neben dem Knecht auf dem Bock. Der Knecht hatte das Pferdegeschirr ganz besonders geputzt und dem Tier Kopfputz aufgesetzt. Durch eine Rolle Draht, die am Weg lag, scheute das Pferd und wir landeten im Graben. Der Mama war die Haarnadel in den Hinterkopf gestoßen. Agatha, Tant Liss und der Knecht brachten Mama nach Hause. Bäbi und ich gingen zu Fuß zur Kirche und kamen erheblich zu spät.“ (Tant Liss war eine Bekannte der Rohens aus Hecken, als ihr Bruder Bernhard 1914 eingezogen wurde, zog die Schwester auf die Altenburg, um nicht allein sein zu müssen).

Im August 1919 brannte das Anwesen der kinderreichen Familie Nikolaus Friederichs (Klobbe Klöösje) im Ortsteil Kippelberg in Blankenheimerdorf nieder, die Familie verlor ihre gesamte Habe. Vor Ostern war eine Näherin für ein paar Wochen auf der Altenburg gewesen, die vier ältesten Kinder hatten neue Kleider bekommen. Es bedurfte nur einer Andeutung von Vater Andreas, und alle Vier stellten die Kleider und weitere Wäschestücke für die Kinder der geschädigten Familie zur Verfügung, denen buchstäblich nur das geblieben war, was sie am Leib trugen. Agatha trug die Kleidungsstücke zum Dörfer Ortsvorsteher zur Weitergabe: Niemand sollte erfahren, woher die Spende kam. „Da müssen wir helfen,“ hatte Andreas Rohen einfach gesagt. Im Steinbruch der Altenburg ließ er durch seine Knechte Baumaterial  brechen und mit den eigenen Fuhrwerken nach Blankenheimerdorf transportieren, damit noch im gleichen Jahr mit dem Neubau des abgebrannten Hauses begonnen werden konnte.

Die beiden Jüngsten : Maria (links) und Jeni (Archiv Hejo Mies)Dank einer gut florierenden Vieh- und Milchwirtschaft kannten die Altenburger keine Not im Sinne des Wortes. Der Preis dafür war harte Arbeit beinahe rund um die Uhr. Im Jahr 1924 standen beispielsweise 300 Rinder auf der Weide, davon 100 als Pensionsvieh vom Frühjahr bis Herbst. Als die Kinder größer waren, mussten sie kräftig mit anpacken, unter anderem beim Melken, was zunächst noch von Hand geschah. Täglich waren 76 Kühe zu melken, die Milch wurde frühmorgens um 4 Uhr mit dem Pferdewagen zum Bahnversand nach Blankenheim-Wald gebracht, Empfänger war eine Molkerei in Köln. Der Milchtransport war eine Aufgabe der älteren Kinder. Dazu Frau Hoppermanns: „Morgens um Viertel vor vier Uhr mussten meine älteste Schwester Agatha und ich mit Pferd und Wagen die Milchkannen zur Bahn bringen und selbst verladen. Mit einem schweren Handwagen wurden die Kannen quer über 10 Gleise gezogen. Manchmal hatten wir Glück, dann half uns ein diensttuender Beamter. Da wir beide morgens so früh unterwegs waren, hatten wir nach dem Mittagessen zwei Stunden frei.“

Das Leben auf dem Gut war ganz und gar kein Honigschlecken, auch nicht für die Mädchen und Frauen. Ich selber kenne noch aus meiner Bahnzeit jene plumpen, massiven vierrädrigen Plateau-Gepäckkarren, mit der 10 und mehr Zentner Ladung transportiert werden konnten, deren Eigengewicht allein aber schon einen „normal gebauten“ Menschen ins Schwitzen bringen konnte. Ein solches Gefährt, mit 20 und mehr Milchkannen beladen, über den holprigen Holzschwellen-Überweg zum Bahnsteig bewegen, dazu noch das Auf- und Abladen der schweren Kannen, jeden Tag in aller Herrgottsfrühe, –  Hut ab vor der Leistung der Altenburger Mädchen! In den Jahren 1956 bis 1958 tat ich seinerzeit Ablöserdienst im Bahnhof Blankenheim (Wald), der Schwellenüberweg und die Plateaukarre sind mir bestens – aber nicht in bester – Erinnerung. Die Beförderung von Milchsendungen war eine besondere Dienstleistung der Bahn, die Abfertigung war in der „Vorschrift über die Abfertigung von Leichen, lebenden Tieren, Gütern und Milch“ (Güterabfertigungsvorschrift, Dienstvorschrift 603) geregelt.

Eine eigene Schule  

Andreas Rohen war seinerzeit maßgeblich am Zustandekommen der Privatschule Blankenheim-Wald beteiligt. Angesichts des schwierigen Schulwegs seiner Kinder, wandte er sich an die Bezirksregierung und erhielt die Genehmigung zur Beschäftigung einer Privatlehrerin. Auf Rohens Betreiben wurde am 15.Juli 1919 der „Schulverein Blankenheim-Wald“ ins Leben gerufen, am 18. August konnte bereits eine Privatschule mit 14 Kindern eröffnet werden, die erste Lehrerin war Fräulein Decker aus Euskirchen. Zehn Jahre später zählte die Schule 26 Kinder. Im Jahr 1929 wurde mit dem Bau eines Schulgebäudes begonnen, das bereits ein Jahr später in Betrieb genommen werden konnte. Die Schule war einigen „braunen Volksgenossen“ in Blankenheimerdorf ein Dorn im Auge, fehlten doch die Kinder aus „Wald“ der eigenen Schule.

Bis 1930 fand der Unterricht in einem, vom Sägewerksunternehmen Peter Milz zur Verfügung gestellten Gebäude statt, die Firma hatte auch die Schulmöbel gestiftet. Die Lehrpersonen fanden auf der Altenburg kostenlose Wohnung und Verpflegung. Die Rohen-Eltern liebten die Musik, Vater Andreas hatte für 4.000 Reichsmark ein schönes Klavier gekauft. Fräulein Hoeg, die Nachfolgerin von Fräulein Decker, spielte sehr gut Klavier und erteilte den vier ältesten Rohen-Kindern Musikunterricht, sehr zur Freude der Eltern, die abends im Wohnzimmer dem Musizieren der Kinder lauschten. Bäbi war die beste Schülerin.

In Blankenheim-Wald gab es damals die „Lentges-Mühle,“ genannt nach ihrem Besitzer Lorenz Lentges, dessen Sohn Johann nach dem Tod des Vaters den Betrieb übernahm. Das ursprüngliche Mühlengebäude war um 1900 abgebrannt. Frau Hoppermanns erzählt, wie eines Tages das Pferd des Müllers in den Mühlradschacht gestürzt war. Ein halbes Jahr lang musste das schwer verletzte Tier gepflegt werden, bis es wieder leichte Arbeit verrichten konnte. Ich selber habe Lentges-Johann noch gut gekannt, wir ließen unser Korn bei ihm mahlen. Er war ein kleiner, jähzorniger Mann, den man selten einmal zufrieden sah. Ganz besonders das „braune Regime“ war ihm ständiger Anlass zu Ärger und Verdruss. Die Lentges-Mühle ist seit etwa 1965 nicht mehr in Betrieb.

Der Vater konnte alles 

„Meines Vaters Spezialität war das Herstellen von Johannisbeerwein, der bei Geburtstagen und vor allem bei der Kirmes, wenn viele familiäre Gäste unser Haus bevölkerten, gerne getrunken wurde.“ So steht es in den Lebenserinnerungen, und mit einigem Stolz fügt Frau Hoppermanns hinzu: „Eigentlich konnte Vater alles.“ Andreas Rohen ging in seiner Jugend mit 13 Jahren nach Frankreich und arbeitete in der Landwirtschaft für umgerechnet 3,00 Reichsmark Monatslohn. Wenn er gelegentlich nach Hause kam, bezahlten die Eltern mit seinem Lohn die Brotschuld beim Bäcker. Die Familie Rohen besaß seit Generationen die holländische Staatsangehörigkeit und die behielt sie auch auf der Altenburg.

Rohens Alex (2.v.r.) mit Helfern bei der Getreideernte, um 1936 (Archiv Hejo Mies)Weil Vater Andreas alles konnte, baute er eines Tages auch einen Schneepflug, der von Pferden gezogen wurde und unter anderem den Kindern den Schulweg nach Blankenheimerdorf und später nach Blankenheim-Wald erleichterte. In guten Bucheckerjahren wurden in den beiden Altenburg-Wäldchen Eckern gesammelt. Der Vater stieg auf die Bäume und schüttelte die Buchenfrüchte auf die ausgelegten Wagenplanen hinunter. Die Eckern wurden später in Ahrmühle gegen Öl eingetauscht. Alle 10 Tage wurden 30 Brote gebacken, das bedeutete einen Verbrauch von drei Stück täglich, – auf der Altenburg galt der Grundsatz: Wer gut arbeitet, muß auch gut essen. Der Vater bereitete den Sauerteig, das Backen war Mutters Aufgabe. Das Backhaus lag neben dem Pferdestall, wo es auch einen neun Meter tiefen Brunnen gab. Bei der Scheune gab es einen weiteren Brunnen, ein Dritter befand sich im Haus unter dem Küchenboden. Über dem Backhaus lag die Räucherkammer. Auch auf der Altenburg kannte man sehr wohl den Wohlgeschmack von mit Wacholder gewürztem Rauchfleisch.

Im Jahr 1922 kam der elektrische Strom auf die Altenburg. Bis dahin gab es in Haus und Stall nur Petroleumbeleuchtung. Die Stromversorgung war für Andreas Rohen eine enorme finanzielle Belastung: Der gesamte Anschluss ans Stromnetz in Blankenheim-Wald ging zu seinen Lasten, an denen sich allerdings Graf Beissel als Eigentümer der Altenburg beteiligte. Die Strommasten und sämtliche Leitungen mussten in Eigenregie aufgestellt und montiert werden, Das Versorgungsunternehmen übernahm lediglich den Netzanschluss.

Nachbarschaftshilfe in Blankenheimerdorf, Alex auf dem Pferd (Archiv Hejo Mies)Alljährlich im Herbst war auf der Altenburg große Viehauktion. Selbst aus weit entfernten Ortschaften kamen die Käufer auf den Gutshof, denn das Altenburg-Vieh stand hoch im Kurs. Leonhard Rohen, ein Bruder von Andreas, machte bei der Auktion den Ausrufer, das war Tradition. Leonhard bewirtschaftete damals den Metternicher Hof, er war also Fachmann. Seine Ehefrau Jeanette wurde am 02. Februar 1922 im Haus durchs Fenster von draußen erschossen, der Täter wurde nie gefasst. Nach dem Tod seiner Frau verpachtete Leonhard Rohen den Hof und lebte mehrere Jahre auf der Altenburg. Der Altenburger Pächter pflegte engen Kontakt mit den jüdischen Viehhändlern in der Umgebung. Frau Hoppermanns erzählt, wie sie einmal 12.000 Reichsmark zu einem dieser Händler nach Kall bringen musste, allein und zu Fuß. Was heute undenkbar ist, war damals zwar „aufregend,“ aber machbar.


Heuernte 1936, exakt geladener Heuwagen (Archiv Hejo Mies)Irgendwann war einmal der Sommer verregnet und es konnte kein Heu eingebracht werden. Kurz entschlossen versammelte Andreas Rohen die Altenburg-Mannschaft um sich und erklärte seinen Plan: In der großen Scheune sollte ein Silo gebaut werden. Alle packten mit an und in kürzester Zeit konnte das frische Gras im neuen Silo eingelagert werden. An den wenigen schönen Tagen dieses Sommers wurde auch noch Heu eingefahren. Der Winterbedarf für die eingestallten Tiere waren um die 100 Fuhren Heu, diesmal mussten sie weitgehend durch Silage ersetzt werden. Auf der Altenburg gab es auch die allererste Melkmaschine in Nordrhein-Westfalen. Das jedenfalls schreibt Frau Hoppermanns - Rohen in ihren Erinnerungen. Das war ein Ereignis, aus weitem Umkreis kamen die Leute angereist, um die Wundermaschine einmal bestaunen zu können.

Das Forsthaus 

In Rufweite vom Gutshof steht in Richtung Blankenheim-Wald heute noch das Forsthaus Altenburg, die Gräfliche Beisselsche Revierförsterei. Zur Kinderzeit von Frau Hoppermanns wohnte dort Revierförster August Schorn, dessen sechs Kinder Rudolf, Margarete, Fritz, August, Ernst und Anneliese die Spielgefährten der Altenburg-Kinder waren. Unter anderem spielte man im nahen Wald „Räuber und Gendarm,“ wer mit einem Stock berührt wurde, war „tot“ und musste aufgeben. Zu bestimmter Stunde kam vom Forsthaus her der „Feierabendpfiff“ und die Schorn-Kinder mussten heim. „De Flöt jeht,“ konstatierte dann Rudolf, der Älteste. Förster Schorn starb 1921 durch einen Unglücksfall. Frau Hoppermanns: „Er schoss sich mit der eigenen Jagdwaffe ins Bein und starb, weil die Wunde zu spät behandelt wurde.“

Revierförster Mehnert mit der Trophäe eines Zwölfenders (Archiv Hejo Mies)Nachfolger von August Schorn war Oberförster Rudolf Mehnert, der in Blankenheimerdorf noch gut in Erinnerung ist, ebenso seine Söhne Kurt und Günther sowie Tochter Annemarie. Revierförster Mehnert baute 1950 an der Altenburger Straße in Blankenheim-Wald ein Haus, in dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1973 wohnte. Nach seiner Pensionierung hatte sein Sohn Günther das Amt des Vaters angetreten und im Forsthaus gewohnt. Nach dem Tod des Vaters zog Günther in das neue Haus.

Günter Mehnert war der Lebensretter unseres Nachbarn Matthias Klinkhammer. Am 23. Juni 1946, einem Sonntag-nachmittag, hütete Kaue Mattes auf den Waldwegen im Bereich der Hofwüstungen Fritzenhof und Manderscheider Hof seine Kühe, von denen eine in ein vermintes Wegestück geriet. Mattes trieb sie zurück, kam selber an eine Stockmine und blieb mit zerschmettertem Fuß liegen. Stundenlang lag er da, zum Glück blutete die Wunde nur wenig, sonst wäre er verblutet. Um diese Zeit war der 19-jährige Sohn Günther des gräflichen Revierförsters Rudolf Mehnert in väterlichem Auftrag in jenem Waldgebiet unterwegs, fand den Verwundeten und benachrichtigte die ihm bekannten Eltern. Die holten Mattes mit dem strohgepolsterten Ackerwagen heim. Mattes wurde wieder gesund, behielt aber zeitlebens einen unbeweglichen Fuß. Günter Mehnert hat mir einmal die Geschichte erzählt. Mattes lag in einer Blutlache, seine erste Frage war Wo sin meng Köh (Wo sind meine Kühe).

Stolz präsentieren die Mehnert-Kinder die Jagdbeute des Vaters, v.li.: Kurt, Annemarie, Günther (Archiv Hejo Mies)Nur gut einen Monat später traf die Familie Mehnert ein ähnliches Schicksal, allerdings mit traurigem Ausgang. Der älteste Sohn Kurt kam im Juni 1945 aus dem Krieg zurück und trat in den Forstdienst ein, mit dessen Studium er sich bereits vor seiner Einberufung beschäftigt hatte. Er begann seinen Dienst als Forstanwärter in den verminten Wäldern im Bereich des Westwalls. Am 02. August 1946 kam er bei der Beseitigung von Baumsperren im Wald bei Udenbreth durch eine Minenexplosion ums Leben, mit ihm starb ein Forstkamerad. Die Stockmine „M43“ stand auf einem fußhohen Pfahl und besaß einen dicken Mantel aus Beton und gehacktem Eisen, das fürchterliche Wunden schlug. Kurt Mehnert wurde nur 21 Jahre alt.

Das Geschäft in Brühl

Nachdem sich in den 1920er Jahren nach dem ersten Weltkrieg die Lage wieder stabilisiert hatte, begann Andreas Rohen zu kränkeln. Er klagte über dauernde Magenschmerzen und musste streng nach ärztlicher Diät leben. Im Jahr 1926 verbot der Arzt seinem Patienten die schwere Landarbeit, die fortan der 22-jährige Alex übernehmen musste. Die Eltern und ihre Töchter Barbara, Maria und Jeni zogen nach Brühl um und eröffneten dort ein Delikatessengeschäft. Dort gab es unter anderem täglich frische Milch, Weichkäse und Süßrahmbutter direkt von der Altenburg zu kaufen, die nach wie vor ihre Milchprodukte per Bahn nach Köln lieferte. Der für Brühl bestimmte Teil wurde am Bahnhof Kierberg ausgeladen und mit dem Handleiterwagen zum Geschäft transportiert.

Frau Hoppermanns war zu diesem Zeitpunkt als Hausmädchen in der Nähe von Bonn „in Stellung,“ sie musste aber bald kündigen und im Geschäft in Brühl mit arbeiten, nachdem ihre Schwester Barbara Heimweh nach der Altenburg bekommen hatte und nach Hause geschickt wurde. Eine ihrer Aufgaben war im Sommer und Herbst der Verkauf von Obst und Gemüse auf dem Neumarkt in Köln aus dem vom Vater gepflegten großen Garten. Die Bahnfahrt zur Domstadt startete meistens um vier Uhr morgens, oft auch noch früher. Mittags war die Verkäuferin wieder zurück, lieferte daheim stolz ihre Tageseinnahme ab und musste umgehend im Laden antreten. Wenn der um 19 Uhr abends schloß, war sie todmüde, doch dann musste noch aufgeräumt, geputzt und für den nächsten Morgen die Vorbereitungen getroffen werden. In Brühl begegnete Anna Rohen erstmalig auch ihrem späteren Ehemann, dem Huf- und Wagenschmied Josef Hoppermanns aus Aachen.

Mit der Gesundheit des Vaters ging es zusehends bergab, er wünschte sich auf die Altenburg zurück, das Geschäft in Brühl musste aufgegeben werden. Die Heimkehr erfolgte im Oktober 1928, Andreas Rohen war schon bettlägerig. Er wusste, dass er nicht mehr gesund werden würde, wünschte sich aber, die Hochzeit seiner ältesten Tochter Agatha noch erleben zu dürfen. Dieser Wunsch ging am 09. November 1928 in Erfüllung. Wenige Wochen später, an Heiligabend 1928, starb der Vater im Alter von nur 54 Jahren. Mutter Maria Rohen-Emonts starb 83-jährig am 20. Oktober 1954 in Gemünd. Anna Rohen und Josef Hoppermanns heirateten im Juli 1929 in Blankenheimerdorf und zogen nach Aachen.

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